Ich habe durch eine liebe Freundin meines Sohnes eine sehr rüstige 92-jährige Dame kennengelernt & musste bei dem Zusammentreffen oft lachen. Und staunen. Sie war fit & ich glaube das ist ein Segen. Und sie hat ein Leben voller Erinnerungen.
Unglaubliche, denn zu den meisten Begebenheiten wusste sie sogar das Datum.
Klar detailliert Erinnerungen an die Kriegszeit, den Werdegang der Familie & wann sie, welches Nähwerkzeug angeschafft hat.
& sie war stolz.
Darüber das ihre Mama das Naziregime auf Entschädigung verklagt hatte.
Und gewonnen. Ein kleiner Sieg.
So hat sie nicht nur viel zu berichten, sondern auch viele nostalgische Gegenstände, die viel zu schade wären, sie über den Jordan zu werfen.
& um einige wenige davon, geht es.
Früher einmal war sie Sekretärin. Aber ich bin mir 100 % sicher, sie wäre eine hingebungsvolle Schneiderin geworden.
Eigentlich hat sie alles genäht und weit über den Tellerrand geschaut. Fachbegriffe waren für sie kein Problem. Aber mit Verlaub, sie ist auch 92 Jahre alt und näht eben ein ganzes Leben lang. Auch waren früher Begrifflichkeit wie, das Smoken, Abnäher und Dederon Gang und gäbe.
Durchs Haus geführt, haben wir vor einer wundervollen Altenburg Zick Zack Maschine stopp gemacht & ich musste zugeben, das sie zwar wirklich schön ist und auch der Einbautisch praktisch, ich jedoch mit meinen unzähligen tollen Maschinen keine weitere aus dem Baujahr 1963 benötige.
Was wirklich schade ist, denn finden wir niemanden, der die Maschine möchte wird sie wohl auf den Müll enden.
Aber andere Schätze habe ich dann durchstöbert. Knöpfe, Federn, Bubikragen und alles mit einer Hingabe eingepackt, das einem ehrfürchtig wird. Alte Zeitschriften von 1923 werden nun auch von mir gehütet und sorgsam aufbewahrt.
Kurzum ich war als Zeitreisende unterwegs und habe einen Glücksfund gemacht.
Da ist die alte kleine Holzkiste ihrer Mutter aus dem Jahr 1904, welche ich nun samt Inhalt durch die Zeit retten werde. Im Innern liegen fein säuberlich hingelegt Spitzenbubukragen & Schleifen aus alten Zeiten. Für Kinder und Damen.
Hutzubehör, Schleifen, Borten & gesticktes Allerlei waren in der Box und ich habe angefangen die kleinen Schätze sorgsam in Tütchen zu packen, um eine gewisse Ordnung zu behalten.
Natürlich werde ich vieles davon nicht mehr gebrauchen können, aber Inspiration ist ein hohes Gut und so freu ich mich sehr über die Schätze.
Wer mich kennt weiß, dass ich alte Garnrollen sammle und inzwischen sind diese wundervollen alten Damen in mein Nähregal gewandert.
Zu allem Kleinkram kam auch eine Menge schöner alter Stoff hinzu, welcher bereits auf der Wäscheleine hängt und nachher in die Mangel kommt um dann zu einer #feinsüß Bluse vernäht zu werden.
Das Einpacken der Gegenstände macht die Dame selber. Jedes Teilchen geht durch ihre Hand und viele Erinnerungen hängen daran.
Ich schaue auf einen Wohnzimmertisch mit Geschirr. Das kann alles weg.
Schrecklich, denn es gibt Menschen die wenig haben.
Ich merke wie dankbar ich sein kann.
Meine Augen bekommen das Flattern als sie kleine Glasanhänger sehen.
Ich nehme sie hoch und freu mich wie ein kleines Mädchen. Was ein Schatz.
DAS IST MEIN SCHATZ!
Ein Highlight, denn diese kleinen Anhänger wurden in den 50ern bei Cocktailpartys an das Glas gehängt, um einer Verwechslung vorzubeugen. Witzigerweise besitze ich sogar eine moderne Form davon – aber diese hier:
Sind der wahre SCHATZ.
Also nehme ich sie mit heim. & meine Tochter entdeckt etwas Großartiges.
Es ist fantastisch und untergegangen.
Mein Schatz hat als schönsten Anhänger eine Schwalbe.
Ohne Worte. Das musste wohl so.
Meine Schätze verräume ich nun sorgsam, die neue Kaffeekanne wandert in meinen Buffettschrank & die Stoffe in die passende Retrokiste.
Die Bänder & das Zubehör, schaue ich mir noch sicher oft an und suche als erstes einen ehrbaren Platz für die alte Kiste. Der Zigarrenkiste von 1904.
Ihr seht, ich bin mal wieder einem Glücksfund auf den Grund gegangen und freue mich diebisch über solch Schätze. Zeitreisen sind für mich das Schönste.
& was ich von diesem viel zu kurzem Intermezzo gelernt habe ist, dass man manchmal einfach machen muss. Augen zu, Kopf aus und go. Die alte Dame hat das viel feiner ausgedrückt, aber im Grunde ist das die Essenz.
Umziehen in ein Pflegeheim ist unschön, aber nötig. Sich von geliebten Dingen trennen sehr schwer, aber mit dem Wissen, in welche Hände man es gibt
:einfacher.
Und ich habe beim Abschied geantwortet.
& jetzt Neustarten. Leben. Keine Sorgen mehr zulassen, sich bedienen lassen & glücklich sein.
Ich bin gespannt, was sie macht und werde sie bald in ihrem neuen Domizil besuchen. Mit einer neu genähten Bluse, ein paar Blumen, dem ausgeliehenen Hackenporsche, Emy & einem kleinen gebackenen Kuchen.
Denn Kuchen mag sie.
Und den mag ich auch.
<3
3 Kommentare
Ach wie schön, auch ich habe viele alte Sachen, zum Teil sogar vor dem Sperrmüll gerettet und seit Juni 23 hab ich hier in der Gemeinde eine kleine Handarbeitsgruppe, damit diese schönen Dinge nicht verloren gehen. Sicherlich lebt die alte Dame schon nichtmehr, aber die Erinnerungen an sie bleiben. Liebe Grüße Nähoma
Welch wunderbare Schätze, die du jetzt durch die Zeit rettest. Ich liebe solch alte Dinge auch sehr. Und ich frage mich bei meinen Herzensdingen oft, ob sich jemand finden wird, der sie ebenso wertschätzen wird.
Was für ein wundervolles Erlebnis. Ich liebe diese Schätze auch! Die Nähmaschine, mit den kleinen gefüllten Schubladen und den sorgsam und ordentlich sortierten Nähkorb meiner Oma werde ich nie benutzen, aber immer erfürchtig betrachten. Ich liebe alles, was Geschichte und Geschichten atmet und irgendwie habe ich oft Sehnsucht danach, in die Vergangenheit zu reisen und die Geschichten und Schicksale mitzubringen. Hach, schön, dass Du das Glück hattest, das mit dieser besonderen Dame zu tun.